Mein Klangideal
Ich habe in meinem Leben einige Leute kennen gelernt, die genau wie ich, sehr viel Geld in ihre Kette stecken, um einen immer besseren Klang zu realisieren. Aber eigentlich geht es vielen eher um die technische Seite und sie hören, um zu Beurteilen was sie wo noch verbessern können. Da ist das Hobby eher die Technik.
Das ist bei mir völlig anders, ich bin "süchtig" nach Musik und der gute Klang ist "Mittel zum Zweck". Wenn mir Musik nicht gefällt, kann sie noch so gut klingen, sie berührt mich nicht. Wenn sie mir aber gefällt und dann auch noch fantastisch klingt! Ich höre am liebsten im dunkeln mit geschlossenen Augen und Beine hoch. Dann beginnt vor meinen Augen ein Film abzulaufen, zu fast jedem Song sehe ich den passenden Videoclip im Geiste und wenn alles gut läuft, also die richtige Musik zur richtigen Stimmung mit dem "richtigen" Klang, wird es magisch. Ich falle in eine Art Trance und bin in einer anderen Welt. Das war schon immer so und wer sich hier wiedererkennt, kann es nachvollziehen.
Für viele ist Musik hören etwas für nebenbei, ich höre nebenbei höchstens mal Radio oder Musikvorschläge über YouTube, um neue Musik zu entdecken. Mein "Musik hören" ist anders, es wird zelebriert. Wir haben das Glück in einem kleinen Haus zu wohnen, wo ich auch Nachts noch laut hören kann. Meistens höre ich gar nicht mehr so laut wie früher aber in einer Mietwohnung würde es eher nicht gehen. Hinzu kommt der Schichtdienst meiner Frau, das schafft Freiräume für mein Hobby. Da ich mittlerweile auch sehr gerne über Kopfhörer Musik genieße, lassen wir die Lautsprecher für meine Frau leise laufen, wenn sie ihre Handarbeiten macht. Ich höre dann parallel in meiner Wunschlautstärke über Kopfhörer.
Hier draus wird ersichtlich, dass mir die Technik eigentlich völlig egal ist. Eigentlich? Sie ist mir nicht egal, weil hinter den Geräten, Kabeln und Zubehörteilen immer Menschen stehen, die sie erschaffen haben. Ich bin mir ganz sicher, diese Leidenschaft aus den Produkten raus zu hören. Wer einen Heiner Basil Martion persönlich kennt, weiß um die Leidenschaft, mit der diese Menschen ihre Produkte entwickeln und, noch wichtiger, immer weiter daran feilen. Dabei geht es nie in erster Linie ums Geld, sondern ihre eigenen Idealvorstellungen zu verwirklichen. Ich bin weder mit Martion, Wehmeier oder Gemein "verheiratet", doch würde ich immer zuerst dort schauen, wenn ich neue Lautsprecher, einen neuen DAC oder einen neuen Verstärker kaufen wollen würde.
Herr Martion hat in einer kleinen Runde mal einen sinngemäß folgenden Satz gesagt: "Meine Aufgabe im Leben scheint, Menschen mit gutem Klang glücklich zu machen". Hat geklappt, Herr Martion!
So nach und nach kommt mir die Erkenntnis, das scheinbar jeder Mensch Klang ganz anders wahrnimmt. Natürlich wird jeder mit gesunden Ohren eine sehr gute Aufnahme sofort als solche erkennen. Dinge, die mir bei der Reproduktion von Musik sehr wichtig sind, kann für jemand anderes allerdings eher nebensächlich sein. Bei mir spielt die räumliche Wiedergabe eine extrem wichtige Rolle und z.B. alte CDs von Mark & Almond hauen mich immer wieder um, die Klänge schweben völlig losgelöst im Raum und üben eine schwer zu beschreibende Faszination aus.
Natürlich ist erst einmal die Musik entscheidend, sie muss mir gefallen. Jemand anders würde sich vielleicht eher daran stören, wie schlecht die alten Aufnahmen von Mark & Almond erhalten waren, bevor sie in den 1980er Jahren digitalisiert wurden. Die Bandmaschine ist besonders in den leisen Passagen gut wahrzunehmen, das Rauschunterdrückungsverfahren (DBX?) immer präsent mit seinen typischen Rauschfahnen. Das stört mich alles nicht, im Gegenteil! Was hier ein gutes System an Klang rausholt, ist erstaunlich und ich empfinde wirklich Spaß (auch) an den Unzulänglichkeiten der Aufnahmen. Viele neuere Aufnahmen bieten nicht diese ausladende Räumlichkeit und machen für mich das Hören manchmal etwas langweilig.
Der Klangeindruck hängt natürlich auch viel vom eigenen Musikgeschmack ab. Wenn jemand eher Musik hört, wo die räumliche Darstellung nicht so eine Rolle spielt (Heavy Metal etc.), ist seine Wahrnehmung von Musik vermutlich deutlich anders ausgeprägt. Bei einem Verstärker-Vergleich vor einigen Jahren gefiel einem Freund der am deutlichsten verzerrende (Röhren-)Verstärker am besten, da es seinem Empfinden und Musikgeschmack am nächsten kam, er besucht gerne Livekonzerte der härteren Gangart. Für meine Ohren einfach nur grausig.
Nun wird auch klar, warum es so viele Ansätze verschiedenster Entwickler gibt, jeder entwickelt mit seinen Ohren und Vorlieben. Zudem ist damit auch erklärbar, warum für den einen eine Klangsteigerung z.B. durch ein "besseres" Kabel eine Welt bedeuten kann und der andere diese "Verbesserung" vielleicht hört aber als nicht so wichtig erachtet oder sogar als Rückschritt erlebt.
Was bleibt als Fazit? Nur selber hören macht Sinn und alles rund ums Hobby sollte für einen selbst gut nachvollziehbar und die nötige Investition wert sein. Testberichte und Reviews sollten immer als Vorschlag verstanden werden, nie als "die Wahrheit".
Wenn mich Musik nicht berührt, kann sie noch so gut klingen, sie berührt mich einfach nicht. Es gibt aber durchaus Musik, die vielleicht nicht 100%ig den eigenen Geschmack trifft aber so toll klingt, dass sie trotzdem öfters im CD-Laufwerk landet. Was mir noch viel wichtiger dabei erscheint, plötzlich finde ich an Musik gefallen, die ich vorher eher selten bis gar nicht gehört habe und nun durch den guten Klang für mich entdecke. Musik braucht eben auch immer Zeit, sich ins Gehirn einzubrennen. Gerade komplexe Musik ist bei schlechter Klangqualität schwierig zu konsumieren, hier hilft eine gute Anlage enorm.
So auch vor einigen Jahren, nach dem ich meinen Pro-Ject CD-Transport in Betrieb genommen hatte. Gravenhurst "Fires in a distant buildings" lag im Laufwerk, weil ein Lied in einem Kabeltest erwähnt wurde und ich die Beschreibungen nach hören wollte. Ich stellte fest, dass ich nur zwei Lieder kannte, die anderen haben es wohl damals nicht in meine Favoritenliste geschafft. Die Platte ist tlw. extrem heftig und erinnert mich an King Crimson und Pink Floyd. Gerade diese Wechsel zwischen laut und leise macht sie sehr spannend und die lauten Passagen waren scheinbar über meine voherige PC-Lösung nicht genießbar. Nun ist die Anlage in der Lage, auch die sehr komplexen Passagen strukturiert wieder zu geben und so machen auch diese Songs plötzlich echt Laune. Muss ich mal alleine hören! Laut! PS: Habe ich gemacht - einfach nur geil!!!
Albert Einstein hat viele Lebensweisheiten zum Besten gegeben. Für unser schönes Hobby “Musik hören” fällt mir folgendes ein:
“Die einzige Quelle des Wissens ist die Erfahrung”
In diesem Falle geht es mir um die Hörerfahrung im Allgemeinen und das individuelle Hörempfinden jedes Einzelnen. Es wird immer wieder in Abrede gestellt, dass bestimmte Dinge einen Einfluss auf den Klang haben, weil es nicht eindeutig erklärbar ist.
In der Frühphase des Hifi wurden von den meisten Hobbyisten klangliche Einflüsse von NF- und Lautsprecherkabeln als Voodoo abgetan. Ich sah das damals ähnlich, weil mir die Erfahrung fehlte und dann kam ein Kabelsatz zum Testen, der meine Grundfesten zum Bröckeln brachte.
Das gleiche Spiel mit der Stromversorgung, wobei ich dafür schon viel aufgeschlossener war und die Unterschiede z.B. zwischen Netzkabeln gut wahrnehmen konnte. Zudem hatte ich schon Netzkabel für einige Hundert Euro (Stückpreis) in der Kette und sah mich am Ende der klanglichen Möglichkeiten angekommen. Also was soll bitte schön ein nochmals fünffach teureres Kabel bringen? Auch hier wurde ich schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt und blieb leider sehr ratlos zurück. Das im Testpaket enthaltene Netzkabel von Acoustic Revive, welches einem Verstärker beigelegt war, den ich im Rahmen meiner damaligen fotografischen Tätigkeit für fairaudio abzulichten hatte, brachte erneut mein “Hifi-Weltbild” ins Wanken. Danach floss viel Geld in meine Stromversorgung und jeder Schritt ging mit mit deutlichen Verbesserungen einher. Das Thema geht auch (leider) immer weiter.
Auch heute streiten noch viele die Einflüsse einer guten Stromversorgung ab und jedes Gerät reagiert anders darauf. Es gibt bestimmt Geräte, die so gut sind, dass sie keinen großen Aufwand erfordern oder so schlecht, dass man es eh nicht hört. Da hat jeder seine eigenen Erfahrungen und es wird niemand gezwungen, viel Geld in die Hand zu nehmen.
Und zu Beginn der Digitaltechnik, am Anfang sollten alle CD-Spieler identisch klingen, bis Firmen wie Mark Levinson das Gegenteil bewiesen. Dann gab es keine hörbaren Unterschiede zwischen Digitalkabeln, konnte ja gar nicht sein, nur Nullen und Einsen. Ich erinnere mich noch gut, wie mich ein damaliger Kollege für “bescheuert” hielt, weil ich stolz von meinem ersten guten USB-Kabel berichtete. Für mich eine kleine klangliche Welt, für ihn völliger Blödsinn.
Dann dieser ganze Voodoo wie Entmagnetisierer, Aktivatoren, Kabelhalter, Sprays, Unterstellfüssen, Basen und so weiter ... alles Blödsinn und wissenschaftlich nicht belegbar?
Vielleicht nicht oder nur in Ansätzen belegbar, doch erinnern wir uns an den Satz von Albert Einstein und wenden ihn auf den Bereich Musik hören an.
Wenn ich mit meiner Kette, meinen Ohren und meiner liebsten Musik Unterschiede durch bestimmte Dinge wahrnehme und diese als positiv erachte, ich sie mir leisten kann und will, warum sollte ich sie nicht in meine Kette integrieren. Ob dabei auch psychoakustische Dinge eine Rolle spielen? Für mich egal, es zählt nur das von mir empfundene Ergebnis.
Überhaupt, Änderungen im Klang können sehr subtil sein und müssen sich tlw. erst erhört werden. Ich höre wirklich viel Musik, das ist mein Hobby. Der ganze technische Kram interessiert mich nur am Rande und ich habe als Lebensmitteltechniker und Fotodesigner höchstens ein fragwürdiges Halbwissen. Die Anlage ist Mittel zum Zweck und meine “Zeitmaschine”. Wenn ich in meiner liebsten Musik über Kopfhörer oder Lautsprecher schwelgen kann, dabei die Augen geschlossen sind, bin ich in Trance. Da ich meine Alben sehr gut kenne, fallen mir auch sehr kleine Nuancen im Klang recht schnell auf, wenn ich mal wieder was verändert habe. Das kann sich durchaus auch negativ äußern und bei dem einen Album kaum hörbar sein, bei einem anderen jedoch deutlich.
Im Übrigen heißt teurer nicht immer besser, manchmal ist es auch genau umgekehrt. Mein treuer Symphonic Line RG 10 MK 4 Reference war zwar schon älter, hatte aber 2018 sein letztes Update bekommen und ließ klanglich für mich wenig Wünsche offen. Dann kam leihweise eine sehr günstige Endstufe, die an meinem guten Vorverstärker/KHV dem SL die Rücklichter zeigte. Also SL verkauft und mir empfohlene Monoblöcke gekauft. Insgesamt bin ich nun verstärkerseitig finanziell bei der Hälfte des Vollverstärkers und klanglich wesentlich besser aufgestellt.
Was bleibt als Fazit?
Jeder hört anders, mit anderer Musik, mit einer anderen Anlage, mit anderen äußeren Bedingungen und natürlich auch Tagesform abhängig. Lasst euch nicht einreden, dieses oder jenes sei Humburg und physikalisch nicht möglich. Nur euer Empfinden zählt und rechtfertigt mitunter auch für andere nicht nachvollziehbare Investitionen.
Die einzige Quelle des Wissens ist die Erfahrung.